Neues Medikament zur Behandlung seltener Erkrankung zugelassen

| Datum: Freitag, den 12.06.2020 um 08:46 Uhr

Für Patienten mit akuten hepatischen Porphyrien (AHP) gibt es ein neues zugelassenes Medikament zur Therapie. Dies ist das Ergebnis einer internationalen Studie, die jetzt im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Das Klinikum Chemnitz mit seinem Zentrum für Innere Medizin II unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. med. habil. Ulrich Stölzel ist das einzige Krankenhaus in Deutschland, das an dieser mehrjährigen Medikamentenstudie beteiligt war. Insgesamt wurden 94 Patienten mit diagnostizierter AHP an 36 Studienzentren in 18 Ländern untersucht.

Für Prof. Stölzel ist die Zulassung des Medikaments der Beginn einer neuen Etappe der Medizingeschichte: „Die neue Therapiemöglichkeit kann als revolutionär bezeichnet werden. Es ist zum ersten Mal möglich, in die fein regulierenden Prozesse einer Zelle selektiv einzugreifen.“ Stölzel beschäftigt sich seit Beginn seiner medizinischen Karriere mit der seltenen Stoffwechselerkrankung Porphyrie. Er gilt international als Experte des Fachgebiets und gibt Ärzten aus ganz Deutschland mehrmals wöchentlich Rat.

Die AHP ist eine Erkrankung aus einer Gruppe von seltenen, genetisch ausgelösten Stoffwechselerkrankungen namens Porphyrien. Aufgrund eines vererbbaren Gendefekts arbeitet im Körper ein Enzym nicht richtig, was zur Überproduktion und Anhäufung von schädlichen Zwischenprodukten führt. Mit einem Verhältnis von 1 zu 100.000 tritt AHP in der Bevölkerung sehr selten auf. Die Träger des Gendefekts leben oft lange oder ganz ohne jegliche Symptome. Wird der Stoffwechsel jedoch stark verändert, zum Beispiel durch Stresssituationen, Infekte, Operationen, bestimmte Medikamente, exzessiven Alkohol- oder Nikotingenuss oder eine Nulldiät zur Gewichtsabnahme, tritt die Krankheit auf.

Die Symptome der seltenen Erkrankung sind vielfältig und unspezifisch, wodurch die Diagnosestellung und Behandlung eines Porphyrie-Patienten hohe Anforderungen an die betreuenden Mediziner stellen. Die AHP tritt in Schüben auf und äußert sich mit potenziell lebensbedrohlichen neurologischen Attacken wie Lähmungen und Atemstillstand, schweren Bauchschmerzen, Erbrechen, Depressionen, Halluzinationen oder Angstzuständen. Meist macht sich die Erkrankung erst nach der Pubertät bemerkbar. Im Durchschnitt erkranken mehr Frauen als Männer.

Die Symptome der AHP können mit dem neu entwickelten und zugelassenen Wirkstoff Givorisan, der einmal monatlich ins Unterhautfettgewebe injiziert wird, signifikant reduziert werden: „Die Flüssigkeit enthält ein winziges Stück synthetisch hergestellter Erbsubstanz namens small interfering RNA, das die Synthese des defekten Enzyms direkt in der Leberzelle blockiert und somit die Produktion und Anreicherung toxischer Stoffe verhindert“, erklärt Prof. Stölzel das Prinzip. Der Wirkstoff beseitigt die Folgen des krank machenden Gens und reduziert laut Studiendaten nachweislich die Symptome der Erkrankung. Im Vergleich zu verabreichten Placebos reduzierte das Medikament die Porphyrie-Attacken um 74 Prozent und verbesserte die Lebensqualität der Studienteilnehmer. In der sechsmonatigen Behandlungsphase war die Hälfte der Patienten anfallsfrei.

Das Zentrum für Innere Medizin ll war in der Phase III der Studie maßgeblich beteiligt. Die Europäische Kommission hat im März 2020 dem Medikament Givlaari™ mit dem Wirkstoff Givosiran die Zulassung für die Behandlung von AHP ab einem Alter von zwölf Jahren erteilt. Der Prozess von der ersten bis zur dritten Studienphase bis hin zur Genehmigung dauerte etwa sechs Jahre. Die Ergebnisse der Medikamentenstudie sind laut Stölzel besonders positiv zu bewerten, da die Therapieform mit small interfering RNA sehr wahrscheinlich in Zukunft auch bei anderen Erkrankungen genutzt werden kann, bei denen Enzyme fehlreguliert werden. „Bei Krebs zum Beispiel wirken ähnliche Mechanismen.“

Prof. Stölzel forscht auch nach dem Erfolg der Klinischen Studie weiter an der seltenen Krankheit. Aktuell wird im Zentrum für Innere Medizin ll des Klinikums Chemnitz eine Beobachtungsstudie bei Patienten mit AHP mit wiederkehrenden Attacken durchgeführt. Dabei werden Informationen zur allgemeinen Erfahrung, zu Symptomen, Beeinträchtigungen und den derzeitigen Behandlungsstrategien gesammelt. Interessierte Patienten, die an der Studie teilnehmen möchten, können sich an das Zentrum für Innere Medizin ll wenden.

Der Link zur Studie im New England Journal of Medicine: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1913147 

Hinweise für Journalisten und Medien: Das anhängende Foto zeigt Prof. Dr. med. habil. Ulrich Stölzel und kann im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung und dem Hinweis Klinikum Chemnitz honorarfrei verwendet werden.
 

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